„Seil straff!“ Die Stimme kratzt dann doch etwas. Es ist der 25. Juli 2020. Ich sitze in der Foka -4 und warte, dass die Wilga vor mir losrollt. Die Wilga, das ist die Bravo-Golf. Das korrekte Kennzeichen ist D-EWBG. Es ist die Ex-DDR-WRF, Baujahr 1977, Werksnummer 96329.  Sie flog bei der ehemaligen GST als Schleppflugzeuge für Segelflugzeuge. Im April 2004 hatte sie in Wismar ihren vorläufig letzten Flug, kam dann auf etwas verschlungenen Wegen in Einzelteilen nach Jahnsdorf im Erzgebirge. Und stand dort erst einmal…

Archivbild aus frühen Tagen

Rückblende…

2017, irgendwann im Frühjahr. Ich weiß nicht, wie oft ich schon um den Haufen an Flugzeugteilen geschlichen bin. Eine Wilga, die sich hier einfach „kaputt“ steht… eigentlich ein Unding. Gut, die 1300h Kontrolle war mittlerweile gemacht, ein paar wichtige Service Bulletins waren auch passiert…aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass nichts vorwärts geht. Bei jedem Besuch in Jahnsdorf bei Gerd Fiedler der gleiche Bauzustand. Es tat mir in der alten Schrauberseele weh. Wilgas begleiten mich seit ich 1986 einen Mechanikerlehrgang bei der GST in Schönhagen absolviert hatte. Seitdem bin ich mit diesem Flugzeugtyp verbunden.

Ich hörte, dass der Besitzer an diesem Projekt nicht mehr weitermachen konnte. Es reifte ein folgenschwerer Entschluss… die Frage nach dem Preis. Der erschien mir akzeptabel.

Ich kaufte mein erstes Flugzeug! Oder eher mein erstes Ganzmetallpuzzle…

Im Juli 2017 war der Vertrag perfekt.

Richtig los ging es dann im Januar 2018. Ich konnte mir glücklicherweise den Januar und Februar komplett freinehmen und nach Jahnsdorf gehen. Die Lage war etwas unübersichtlich. Im Prinzip war der Flieger vollständig, Nur…wo war was?

In diesem Zusatnd habe ich sie vorgefunden

Und es stand fest, dass es eine neue Verkehrszulassung werden würde. Die alte Dame war nämlich raus aus der LBA-Luftfahrzeugrolle. Zurück auf „los“. Allerdings waren die Papiere in Ordnung und die Lebenslaufakte vollständig. Kein schlechter Anfang. Für die Betreuung bis hin zur Abnahme konnte das Luftfahrt Servicecenter Ost in Dessau gewonnen werden.

So nahm es seinen Lauf. Stück für Stück wuchs zusammen, was irgendwie zusammenpassen könnte. Dazu muss man wissen, dass jede Wilga eigentlich ein Unikat ist. Gerade beim Anbau von Dingen wie Verkleidungen kann die Schimpfwortdichte im Raum ziemlich hoch sein.

Heimarbeiten haben eine lange Tradition in den stillen Erzgebirgstälern

Aber den Fortschritt kann man bekanntlich nicht aufhalten. Es nahm Gestalt an und am 03. Mai 2018 war ein erster „Milestone“, wie man so schön sagt.

Der Motor sprang an. Etwas widerwillig, aber er arbeitete. Was für ein Sound!

Einige Bastelei bis er richtig „rund“ lief. Auch so ein Motor vergisst über die Jahre ein paar Sachen.

Das Jahr 2018 verging mit der weiteren Komplettierung und dem Innenausbau. Man muss dazu sagen, dass ich all dies in meiner Freizeit gemacht habe. Geld musste ich ja nach wie vor auch verdienen und die Familie wollte sich ab und an vergewissern, ob es mich tatsächlich gibt. Beruflich war ich in diesem Jahr von Mai bis Dezember komplett in Hamburg, was die Sache nicht vereinfacht hat.

Aber irgendwann war es soweit. Der Prüfer befand die Maschine für flugbereit. Ein „Permit-to-fly“ wurde beim LBA beantragt und dann kam er, der 29. Juli 2019.

Take -off nach 15 Jahren!

Dieter Eisold von meinem „heimatlichen“ Fliegerclub in Kamenz saß auf dem linken Sitz. Ich bin zwar ein fanatischer Wilgaschrauber aber pilotieren darf ich so ein Ding nicht. Wird sich mancher wundern aber das ist eine andere Geschichte.

Nicht einmal vor meinem ersten Alleinflug mit einem Segelflugzeug 1983 war ich derart aufgewühlt wie vor diesem Flug. Klar, der Prüfer hat sich tiefgründig mit der Bravo-Golf beschäftigt, da blieb nichts offen. Und dennoch…  Ich war definitiv nicht cool!

Und was soll ich sagen? Es lief fantastisch. Das heißt in diesem Falle, es lief völlig unspektakulär.

Alle Zeiger da, wo sie hingehören

Ich war glücklich. Man konnte das Flugzeug nach der Landung nochmal benutzen!

Landung

Der Rest war Fleißarbeit. Die Dokumentation erstellen, den Zulassungsantrag beim LBA einreichen, alle Wünsche der Amtspersonen erfüllen… und warten.

Aber im Februar 2020 war es dann soweit. Nach zwei extrem intensiven Jahren hatte die D-EWBG (ex DDR-WRF) ihre Verkehrszulassung – Überführung nach Kamenz. Dort wurde sie zünftig begrüßt.

Standesgemäß

Es folgten die Klärung aller rechtlichen Bedingungen für den Einsatz als Schleppflugzeug im Fliegerclub Kamenz, etwas technischer Feinschliff, Eingewöhnung…

Wieder zurück zum 25. Juli 2020…

Die Bravo-Golf ruckt an, der Schleppzug setzt sich in Bewegung und es folgt der allererste Start für diese Wilga in ihrer eigentlichen Bestimmung nach der erfolgreichen „Wiederbelebung“- dem Schleppen von Segelflugzeugen.

Und diesmal sitze ich selbst am Steuer- zumindest im Segelflugzeug.

Finish

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